Buch

Hanya Yanagihara // A Little Life

Klappentext:

When four classmates from a small Massachusetts college move to New York to make their way, they’re broke, adrift, and buoyed only by their friendship and ambition. There is kind, handsome Willem, an aspiring actor; JB, a quick-witted, sometimes cruel Brooklyn-born painter seeking entry to the art world; Malcolm, a frustrated architect at a prominent firm; and withdrawn, brilliant, enigmatic Jude, who serves as their center of gravity.

Over the decades, their relationships deepen and darken, tinged by addiction, success, and pride. Yet their greatest challenge, each comes to realize, is Jude himself, by midlife a terrifyingly talented litigator yet an increasingly broken man, his mind and body scarred by an unspeakable childhood, and haunted by what he fears is a degree of trauma that he’ll not only be unable to overcome—but that will define his life forever.

Buchinformationen:

OriginaltitelA Little Life
Seitenzahl836
Altersempfehlungab 18 – 99 Jahre (Meine Empfehlung)
Erscheinungsdatum26.01.2016
SpracheEnglisch & Deutsch
ISBN978-0-8041-7270-7
VerlagRandom House LLC US

Zusammenfassung:

In diesem Buch geht es um vier praktisch unzertrennliche Freunde. Zum ersten Mal treffen die vier Männer im College aufeinander. Schnell entwickelt sich eine sehr tiefe Beziehung zwischen ihnen allen, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Alle haben zwar unterschiedliche Laster zu tragen, dennoch versuchen sie einander, so gut es geht, zu unterstützen. In diesem Buch geht es um Freundschaft, Liebe, Trauer, Tragödien und so weiter. Zusammengefasst geht es um das Leben und deren Nebenwirkungen.

– Die Welt wird mit einem Schlag zu einem Hindernisparcours der Schrecknisse. –

Meine Meinung:

Dieses Buch ist sowohl das beste als auch das schlimmste Buch, das ich jemals gelesen habe. Ich kann nicht wirklich in Worte fassen, was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Es hat mich innerlich verändert. Es hat mir ganz einen neuen Blickwinkel auf das Leben gegeben und es hat mir vor allem auch gezeigt, dass ich unfassbar dankbar für mein eigenes Leben sein sollte. Ich würde einmal behaupten, dass das Beste an diesem Buch der Schreibstil der Autorin ist. Ich muss gestehen, dass ich bis zum Ende dachte, dass ein Mann diese Geschichte geschrieben hat, da es in dem Buch ja hauptsächlich um Männer handelt. Die Männer und deren Gedankenzüge und Beziehung zu einander wurden extrem ins Detail beschrieben, dass ich wirklich nur davon ausgehen konnte, dass dies auch ein Mann geschrieben hat. Auf der letzten Seite des Buches sehe ich dann das Bild der Autorin und falle fast vom Stuhl. Diese Frau ist eine unglaubliche Autorin. Wie konnte sie so gut die Gedankenzüge aller Charaktere, doch vor allem von den von Jude’s so gut beschreiben? Nur schon die Tatsache, dass sie als nicht dunkelhäutige Person zu Beginn des Buches die «Black Experience» so auf den Punkt getroffen hat, hat mir gezeigt, was für eine unglaubliche Autorin diese Frau ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass dieses Buch von 20 Menschen geschrieben wurde, da ich es einfach nicht glauben kann, dass nur eine Person auf so viele Ideen kommen kann. Der Schreibstil der Autorin ist extrem vielseitig, gefühlvoll und gleichzeitig unfassbar realistisch und exakt.

– Malcolm, Jude und Willem. Jude in der Mitte, die anderen beiden (wie JB wusste, weil er selbst schon an ihrer Stelle gewesen war)

nahe genug, um ihn aufzufangen, aber weit genug entfernt, um ihm nicht das Gefühl zu geben, sie rechneten mit einem Sturz. –

– 

« Es tut mir leid, dass ich nicht glücklicher bin. »

Diese Autorin hat Jude ins Leben gerufen. Sie hat einen unfassbar komplexen Charakter erschaffen. Ein Charakter, der mir wahrscheinlich nie mehr aus dem Kopf gehen wird. Jude ist die Verkörperung von einer Tragödie. Sein Leben ist gefühlt von tragischen Ereignissen. Keine Eltern, Kloster, Misshandlung, Bruder Luke, Motel, Heim, Flucht, Krankheit, Dr. Taylor, Caleb, Krankheit, Willem. Gleichzeitig aber auch von wahrer tiefen Liebe. Ana, Mathematik, Studium, Freunde, Willem, Harold und Julia, Andy und so weiter. Als ich das Buch angefangen habe, wusste ich schnell, dass Jude ein schweres Leben hat. Ich dachte immer, nachdem ich mal wieder etwas Tragisches von Jude erfahren hatte, dass es schlimmer nicht mehr gehen könnte. Da ich diesen Gedanken bereits ab Seite 50 hatte, wusste ich schon, dass es wahrscheinlich noch schlimmer sein wird. Doch ich hätte niemals mit diesem Ausmass gerechnet. Ich bin ein überaus pessimistischer Mensch, der eigentlich immer weiss, was das schlimmste Ergebnis sein könnte. Dieses Buch hat mir gezeigt, dass es immer noch schlimmer gehen kann. Auch die Art, wie extrem tragische Dinge erzählt wurden, hat mich schockiert. Es wurde immer so beiläufig erwähnt. So als wäre es nun mal der Lauf der Dinge. Mit der Zeit habe ich auch angefangen, über die schlimmen Momente zu lachen, weil es so unrealistisch wirkte. Ich meine, wie kann eine Person so viel Leid erfahren? Warum musste immer, nachdem ein Kapitel abgeschlossen wurde, gleich das nächste schlimme Kapitel folgen? Ich habe mich oft gefragt, ob es wirklich so Menschen gibt, die ein Leben führen wie Jude. Ein Leben mit so viel Trauer und gefühlt ohne Pausen.

– Dann erinnerte er sich an Harolds Behauptung, dass das Leben erlittene Verluste wieder ausgleicht. –

Ich denke, solche Menschen gibt es. Doch ich glaube auch, dass deren Leben bzw. das Jude’s Leben nicht nur aus schrecklichen Dingen besteht. Ich könnte nicht mit gutem Gewissen sagen, dass Jude’s Leben nicht schön war. Es sind ihm schreckliche Dinge widerfahren und sein Ende ist natürlich nicht ideal, doch Jude hatte Liebe in seinem Leben. Er hatte Freunde, die ihn liebten, die Zeit mit ihm verbrachten, die ihm zum Lachen brachten. Er hatte seine extreme Intelligenz. Er war so ziemlich in allem gut. Musikalisch, mathematisch und in so vielen weiteren Bereichen war er begabt. Er hatte Willem. Seinen Grund fürs Leben. Seine grosse Liebe. Er hatte neue Eltern. Er hatte so viele schöne Dinge, die natürlich schnell in den Hintergrund rücken, wenn man an die negativen Dinge denkt. Jude’s Leben ist weder vollumfänglich schön noch vollumfänglich schlecht. Es ist neutral.

– Es war unmöglich, den Gesunden die Logik der Kranken zu erklären, und er hatte nicht die Kraft, es zu versuchen. –

Sein Ende hat mich sehr getroffen, doch gleichzeitig konnte ich es auch verstehen. Ich als Leserin habe mir auch ein Ende von dieser nie endenden Tragödie gewünscht. Kann mir demnach gar nicht vorstellen, wie es für ihn selbst war. Als ich das Buch begonnen habe, hatte ich eine sehr feste Meinung zu Selbstmord. Nämlich, dass Selbstmord keine Lösung ist. Dieses Buch hat meine Meinung verändert. Selbstmord ist keine Lösung für alle. Doch es gibt Menschen, wie beispielsweise Jude, die in einem Albtraum leben. Die sich durch das Leben quälen. Also weshalb muss man, wenn man so sehr leidet, weiterleben? Sollte man nur weiterleben, damit es den anderen besser geht? Darf ein Mensch nicht diese Entscheidung für sich selbst, egal wie egoistisch es ist, treffen? Für Jude gab es nach Willem keinen Grund mehr zu leben. Darf man ihn für diese Entscheidung verurteilen? All diese Fragen habe ich mir gestellt und nur die letzte konnte ich mir mit gutem Gewissen beantworten. Nein, ich verurteile ihn nicht für diese Entscheidung. Ich verstehe ihn und ich freue mich für ihn, dass er seinem Leid ein Ende setzen konnte. Man nahm Jude so oft die Macht, über sein Leben zu entscheiden, weg. Ich bin froh, dass er wenigstens darüber entscheiden durfte, wie sein Leben enden würde.

– Er fragte sich ständig, wie und warum er zulassen konnte, dass vier Monate,

Monate, die immer weiter zurückliegen – sein Leben so nachhaltig beeinflusst, es so sehr verändert haben. –

Willem war auch ein guter Charakter. Nicht ganz so komplex wie Jude, was irgendwie beruhigend war. Seine Handlungen waren vorhersehbarer und ich konnte sie auch besser nachvollziehen. Sein Leben ausserhalb von Jude, also seine Liebe zu Theater usw. waren interessant. Auch seine Vergangenheit war tragisch, doch anders als Jude liess er nicht zu, dass seine Vergangenheit ihn definierte. Das Buch hat auf eine gute Weise zwei Wege aufgezeigt, wie man mit Traumata umgehen kann. Jude’s Art der Traumabewältigung also die Selbstverletzung ist definitiv nicht gesund, dennoch extrem realistisch. Auch hier hatte ich, bevor ich mit dem Buch begonnen habe, eine sehr starke Meinung dazu bzw. konnte ich nicht nachvollziehen, weshalb Menschen sich selbst verletzen ausser aufgrund fehlender Aufmerksamkeit. Dieses Buch hat mir wirklich die Augen geöffnet und mir viele weitere Gründe aufgezeigt. Auch die verschiedenen Arten, wie auf Selbstverletzung reagiert wird, wurden sehr gut beschrieben. Willem beispielsweise nahm die Selbstverletzung sehr persönlich und er verstand es überhaupt nicht. Andy verstand es auch nicht, doch er verstand, dass Jude dieses Mittel benötigt, um zu leben. Somit akzeptierte er es und versuchte auf andere Weise zu helfen. Keine Ahnung, welche Art besser ist. Auf jeden Fall versuchten beide ihr Bestes.

– Willem ging hinüber, um sich ungesehen an die Schwelle zu stellen und darauf zu warten, dass Jude zu ihm zurückkehrt. –

– 

 «Ich kann nirgends wohnen, wo er nicht vorbeikommen kann. »

Willem hat im Bezug zu Jude sowieso immer sein Bestes versucht. Seine Beziehung zu Jude war schon seit Beginn sehr komplex. Ich wusste bereits sehr früh, dass die beiden irgendetwas verbindet. Willem und Jude waren immer viel enger zueinander als zu den anderen zwei aus deren Clique. Jude vertraue Willem auch als einzigem Dinge aus seiner Vergangenheit an. Ich war demnach umso glücklicher, als Willem und Jude dann endlich zusammenfanden. Wie man es sich auch hätte denken können, durchleben die beiden natürlich dennoch auf und Abs. Doch auch diese haben sie gemeistert. Vor allem habe ich grossen Respekt für Willem. Für eine Person, die gar keine Erfahrung mit psychischen Krankheiten hatte, hat Willem Unglaubliches erreicht in Bezug zu Jude. Andere hätten sich niemals auf Jude eingelassen, da er unfassbar verschlossen ist und wie erwähnt eine extrem grosse Last mit sich trägt. Dennoch hat Willem Jude nie aufgegeben. Er war immer geduldig und hat Jude über alles geliebt.

– Er hatte nach Verantwortung verlangt, ohne sich vollständig im Klaren darüber zu sein, wie viel Schaden er anrichten konnte. –

« Manchmal habe ich das Gefühl, dein Leben liegt mir mehr am Herzen als dir selbst. »

Als Willem gegangen ist, hat mich das innerlich zerstört. Ich habe niemals gedacht, dass er vor Jude gehen würde. Ich wusste nämlich, dass Willem ohne Jude weiterleben könnte, doch Jude ohne Willem nicht. Sein Tod hat so viele Konsequenzen mit sich gezogen. Es wäre nicht nötig gewesen. Wenn er länger gelebt hätte, hätte auch Jude länger glücklicher gelebt. Sie hätten noch so viele schöne Jahre miteinander gehabt. Doch er ist einfach gegangen. Es geschah so plötzlich. Wie bei all den schlimmen Ereignissen wurde auch dieses Ereignis so kurz beschrieben. So beiläufig. Schlimm daran war, dass nicht nur Willem verstorben ist, sondern auch Malcolm, der von den vier in meinen Augen das angenehmste Leben führte. Auch seine Frau ist verstorben. Dann folgte Jude und dann folgte Andy und so weiter. Am Ende war nur noch JB, Harold und Julia da. Keine Ahnung, wie JB das alleine überleben wird, denn auch er hatte es in den vergangenen Jahren nicht einfach. Seine Drogensucht war heftig und gleichzeitig auch wie so vieles in dem Buch realistisch und wunderschön beschrieben worden. JB ist ein Charakter, denn man hassen möchte, es aber einfach nicht kann. Er hat dem Buch etwas Humor verliehen. Ich bin froh, dass er noch da ist. Ich bin auch froh, dass Harold und Julia noch leben. Beide sind herzensgute Menschen.

« Wenigstens ist Willem nicht hier und muss es mitansehen. »

Anderseits natürlich – wärst du hier, wäre er es dann nicht auch noch?

Fazit:

Ich könnte diese Rezension immer weiter schreiben. Mir fallen ständig neue Dinge ein, die ich noch gerne erwähnen möchte, doch ich muss irgendwann einmal zum Ende kommen. Dieses Buch hat mich durch eine Zeit im Leben begleitet, die nicht einfach für mich war. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieses Buch diese Zeit einfacher für mich gemacht hat, denn das Buch ist unfassbar deprimierend. Doch auch wenn dies der Fall ist, konnte es mich extrem gut ablenken und hat mich auch unfassbar vieles gelehrt. Dieses Buch ist in meinen Augen ein wahres Meisterwerk, das jeder einmal gelesen haben muss.

Thom Yorke, Dawn Chorus

– Das Leben ist so traurig. Es ist so traurig, und trotzdem tun wir es alle.

Wir hängen alle daran; wir suchen alle nach etwas, das uns Trost spenden könnte. –

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